- proletarische Kultur
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Arbeiterkultur, die von der Arbeiterbewegung seit dem 19. Jahrhundert durch Arbeiterliteratur, -theater, -lieder, -presse, -bildung, -sport sowie Film, Radio, Fotografie und eine spezifische Arbeiterfest- und Vereinskultur (Arbeiterbildungs-, -sport-, -gesangvereine, -jugendbewegung, Naturfreunde u. a.) hervorgebrachten kulturellen Ausdrucksformen.Obwohl oft von der bürgerlichen Kultur beeinflusst, sind die programmatischen Inhalte und Zielsetzungen zumeist antibürgerlich, den politischen und organisatorischen Zielen und Aufgaben der Arbeiterbewegung dienend, klassenkampforientiert und in der Tendenz sozialistisch. Im Rückgriff auf K. Marx und F. Engels (»Deutsche Ideologie«, Einleitung) wurde jedoch von den englischen Kulturtheoretikern Richard Hoggart (* 1918) und R. H. Williams ein Begriff von proletarischer Kultur entwickelt, der die gesamte Lebensweise der Arbeiterklasse umfasst. Doch unterscheidet sich auch nach Williams die proletarische Kultur von der bürgerlichen besonders durch die »alternativen Ideen über die Natur der gesellschaftlichen Beziehungen«. Im Zusammenhang neuerer ethnosoziologischer Erforschung von Volks- und Alltagskultur meint »proletarische Lebensweise« sowohl die im engeren Sinn kulturellen Ausdrucksformen als auch die materiellen Lebensformen (Wohnen, Ernährung, Kleidung, Arbeit, Zeitbudget usw.), die spezifischen Verkehrs- und Kommunikationsformen (Symbole, Riten, Sprachcodes) sowie besondere Mentalitätsstrukturen (Einstellungen, Werte, Normen, Sinnorientierungen wie Weltbild, Zukunftserwartungen). Dieser weite Begriff von proletarischer Kultur wurde zunehmend auch von deutschen Wissenschaftlern übernommen.R. Williams: Gesellschaftstheorie als Begriffsgesch. (a. d. Engl., 1972);R. Williams: Innovationen (a. d. Engl., Neuausg. 1983);Arbeiterkultur, hg. v. G. A. Ritter (1979);P. Bourdieu: Die feinen Unterschiede (a. d. Frz., 81996).
Universal-Lexikon. 2012.